Der Handball-Weltverband ändert sein Regelwerk. Schon bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gelten fünf neue Richtlinien. Kritik daran gibt es schon jetzt.
Ursprünglich wollte die IHF die neuen Richtlinien erst zum Juli 2017 einführen. Jetzt gelten sie schon bei den Olympischen Spielen in Rio. Der Weltverband hat Schreiben an die nationalen Verbände geschickt und die über die vorzeitige Regeländerung informiert. „Wir werden uns damit intensiv beschäftigen und auf allen Ebenen bestmöglich vorbereiten“, sagt Generalsekretär Mark Schober vom Deutschen Handball-Bund.
Siebter Feldspieler statt Torwart
Künftig muss ein siebter Feldspieler nicht mehr mit einem andersfarbigen Trikot oder Leibchen als Torwart gekennzeichnet sein. Dann darf er aber auch nicht mehr die Aufgaben des Torwarts erfüllen und zum Beispiel den Sechs-Meter-Raum betreten – sonst gibt es einen Strafwurf. Es kann aber jederzeit wieder ein Torhüter eingewechselt werden. „Der siebte Feldspieler wird uns schon beschäftigen“, sagt Bob Hanning, Vizepräsident des DHB: „Diese Regel wird den Handball verändern. Das kann zu ständigen Wechseln führen und schränkt unsere Sportart ein“, erklärt er.
Verletzte Spieler müssen drei Spielzüge zusehen
Verletzte Spieler sollen möglichst außerhalb des Spielfeldes behandelt werden, um den Spielfluss des Gegners nicht zu unterbinden. Wird ein Spieler dennoch auf dem Feld behandelt, muss er drei Angriffe seiner Mannschaft auf der Bank pausieren, ehe er wieder aufs Feld darf. Seine Mannschaft muss den freien Platz mit einem anderen Spieler auffüllen. Da „sind wir schon im Bereich der Strafe für den Spieler“, sagt DHB-Schiedsrichterwart Peter Rauchfuß: „Für mich sind das Schreibtischauslegungen.“
Nur noch sechs Pässe bei Passivem Spiel
Wenn die Schiedsrichter das Zeichen für Zeitspiel geben, darf die angreifende Mannschaft noch sechs Pässe spielen, bevor abgepfiffen wird. Bisher lag das im Ermessen der Referees. Hanning bewertet das positiv. „Aber die Durchsetzbarkeit wird schwierig. Die Schiris sind zum Teil schon jetzt überfordert. Es ist gefährlich, was ihnen zugemutet wird“, sagt er. „Es wird immer wieder Diskussionen geben, die wir nicht brauchen“, sagt auch Rauchfuß. „Ich glaube nicht, dass es bei den sechs Pässen bleiben wird. Man kann einfach hin- und hertippen und noch einen Freiwurf holen und noch einen Freiwurf. Das ist in meinen Augen keine Lösung für das passive Spiel“, kritisiert Nationaltrainer Dagur Sigurdsson.
Siebenmeter in den letzten 30 Sekunden
Begeht ein Abwehrspieler in den letzten 30 Sekunden eine grobe Regelwidrigkeit, erhält er eine Rote Karte und – das ist neu – die angreifende Mannschaft automatisch einen Siebenmeter.
Blaue Karte bedeutet Zusatzbericht
Auf eine Rote Karte kann ein Blaue folgen. Das heißt, es folgt ein Zusatzbericht, der eine Entscheidung der Disziplinarkommission nach sich zieht. Hanning lehnt die Regel ab: „Das ist Unsinn. Bei uns gibt es nach Roten Karten ohnehin einen Bericht. Der konnte schon bisher zu Sperren führen.“ Auch Rauchfuß hält die Blaue Karte für überflüssig. „Wir beschäftigen uns da nicht mit. Ich suche noch einen Hersteller von Hosenträgern, damit die Hosen nicht rutschen, bei dem, was die Schiedsrichter alles in den Taschen haben müssen“, sagt er: „Die neue Regel ist unseren internationalen Freunden geschuldet, die sich nicht in englischer Sprache artikulieren können.“
„Ei ins Nest gelegt“
Insgesamt sieht Rauchfuß kaum etwas Gutes. „Die IHF hat uns ein schönes Ei ins Nest gelegt“, sagt er. Bundestrainer Dagur Sigurdsson sieht viel Arbeit auf sich zukommen. „Wir müssen uns darauf einstellen, wir müssen ab Sommer mit den Spielern sprechen und auch die Sachen üben, die wir dann vorhaben. Wir müssen uns wirklich mit der Regeländerung beschäftigen, weil die Spieler aus einem anderen Modus in dieses Thema reinkommen.“ Einen Nutzen für die Fans sieht er nicht: „Ich glaube, dass es komplizierter für die Zuschauer wird.“
Quelle | www.sportschau.de