Der VfL zeigt Nehmerqualitäten

Große Verletzungssorgen bestimmten von Anfang an die Saison des VfL Gladbeck. Trotzdem reichte es für die Vizemeisterschaft – aus zwei Gründen.

Die Handballer des VfL Gladbeck haben die Oberliga-Saison 2016/2017 als Vizemeister beendet. Mit einer derart guten Platzierung hätte vor Beginn der Spielzeit wohl niemand gerechnet.

Tim Deffte, der Leiter der Abteilung, zog daher unmittelbar nach dem Saisonfinale in Menden eine positive Bilanz: „Was unsere Mannschaft erreicht hat, ist schon außergewöhnlich. Den zweiten Platz hat uns nach den vielen verletzungsbedingten Ausfällen doch niemand zugetraut.“

Erster Schock schon vor dem ersten Training

Rückblick: Als sich die Rot-Weißen Ende Juni vergangenen Jahres zum traditionellen Laktattest im Wittringer Stadion trafen, wusste niemand so genau, wie die Mannschaft sich schlagen würde in der Meisterschaftsrunde.

Kurz zuvor hatte sich nämlich Max Krönung im Trikot der deutschen Polizei-Nationalmannschaft einen Kreuzbandriss zugezogen. Ausgerechnet Krönung, der Torjäger des VfL und der Torjäger der Oberliga-Saison 2015/2016.

Experten sagten den Gladbeckern infolge des Ausfalls ihres überragenden Rückraumspielers eine schwere Saison voraus, das Team galt dem einen oder anderen Szenekenner sogar als Wackel-, also als Abstiegskandidat.

Thorben Mollenhauer, der Kapitän, wusste jedoch, worauf es ankam. „Wir müssen variabler werden“, hatte Mollenhauer vor dem Saisonauftakt in einem Gespräch mit der WAZ betont, „außerdem müssen jetzt alle Spieler Verantwortung und mehr Verantwortung übernehmen. Und vor allen Dingen müssen wir gut decken, wir müssen gut, aggressiv und klug decken.“

Die beste Abwehr der Liga

Genau das tat der VfL schließlich. Sven Deffte, der Trainer, der ja selbst ein richtig guter Abwehrspieler gewesen ist, feilte mit der Mannschaft unermüdlich an der Deckungsarbeit – mit Erfolg. Die Gladbecker 6:0-Formation erwies sich im kompletten Saisonverlauf als überaus stabil. Am Ende standen nur 682 Gegentore für die Rot-Weißen zu Buche – Bestwert in der Liga.

Die starke Abwehr war letztlich die Basis dafür, dass die VfLer oben mitmischen konnten, obwohl den Gladbeckern das Verletzungspech treu blieb. Kurz nach dem Saisonauftakt erwischte es Thorben Mollenhauer an der Schulter. Der zweitbeste Schütze der Oberliga-Runde 2015/2016 musste wie Max Krönung monatelang pausieren. Und schließlich zog sich auch noch der routinierte Torwart Andor Schneider eine schwere Knieverletzung zu.

„Die Mannschaft geht auf dem Zahnfleisch“

Der VfL Gladbeck ließ sich von diesen Rückschlägen aber überhaupt nicht irritieren und überwinterte – unglaublich, aber wahr – punktgleich mit dem damaligen Spitzenreiter TuS Spenge auf dem zweiten Tabellenplatz. Ungeachtet dessen war in den letzten Spielen des Jahres ein gewisser Substanzverlust nicht zu übersehen gewesen. „Die Mannschaft“, stellte Tim Deffte Mitte Dezember fest, „geht mittlerweile auf dem Zahnfleisch.“

Gut tat die kurze Pause zwischen Weihnachten und Mitte Januar den VfLern aber gleichwohl nicht. Von den ersten vier Spielen des neuen Jahres verlor das Team drei – gegen die SG Menden gab’s ein 28:30, in Soest ein 21:27 und gegen Sundwig-Westig ein 22:27. Das war’s im Titelrennen, zumal sich die SG Menden Sauerland kaum noch eine Blöße gab.

Schlüsselspiel ohne drei Schlüsselspieler

Für Trainer Sven Deffte war die letzte Hinrunden-Partie gegen den späteren Meister aus Menden das Schlüsselspiel. In Krönung, Mollenhauer und Björn Sankalla musste Sven Deffte ausgerechnet in diesem Spitzenspiel seinen kompletten Rückraum ersetzen. Micky Reiners, Trainer der Mendener, gestand nach der Partie: „Dass beim VfL drei klasse Leute gefehlt haben, hat uns natürlich in die Karten gespielt.“

Keinen richtigen Reim machen können sich die Verantwortlichen beim VfL darauf, dass ihre Mannschaft ausgerechnet in der Riesener-Halle viele Punkte, elf an der Zahl, abgegeben hat. In den Jahren zuvor waren die Gladbecker in den eigenen vier Wänden stets eine Macht gewesen.

Quelle | WAZ, Thomas Dieckhoff

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